Ernährung

Vollkorn: Wie gesund ist es tatsächlich?

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Vollkorn gilt als besonders gesund. Doch einige Ernährungsexperten sehen das anders: Vollkornbrot, -nudeln & Co. seien ungesünder als Zucker. Wie kommt es zu dieser deutlichen Kritik – und was ist tatsächlich dran an den Behauptungen?  

Vollkorn: Schlimmer als Zucker?

„Vollkorn ist schlimmer als Zucker“ – für einige Ernährungsexperten gibt es dafür eine einfache Erklärung: Auch in Vollkorngetreide steckt viel Stärke und damit liefere sie mehr Kohlenhydrate als etwa Schokolade. Daher würde Vollkorn den Blutzuckerspiegel stärker belasten als Schokolade oder Zucker.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Betrachtet man den Glykämischen Index von Vollkornbrot und Zucker, so liegen diese auf den ersten Blick nah beieinander. Doch um den Glykämischen Index (GI) zu bestimmen, wird gemessen, wie hoch und wie lange der Blutzuckerspiegel steigt, nachdem man 50 g Kohlenhydrate aus dem zu testenden Lebensmittel gegessen hat. Legt man diesen Maßstab zugrunde, lassen gut 100 Gramm Vollkornbrot (56 g Kohlenhydrate/100 g) den Blutzucker ähnlich hoch ansteigen wie fünf Löffel Zucker (100 g Kohlenhydrate/100 g). Ganz so einfach lassen sich die GI-Werte also nicht vergleichen.

Auch ganz ohne Berechnung weiß jeder, welchen Unterschied es macht, ob man 100 g Vollkornbrot oder fünf Löffel Zucker gegessen hat. Während wir nach Vollkornbrot angenehm und lange satt sind, sorgt Zucker nur für einen kurzen Energiekick. Der Unterschied liegt in dem, was sonst noch im Lebensmittel zu finden ist. Bei Zucker ist das außer einfachen Kohlenhydraten nicht viel.

Vollkorn liefert unserem Körper im Gegensatz zu Zucker komplexe statt einfache Kohlenhydrate - und damit mehr als nur Stärke. Vollkornprodukte enthalten noch die wertvollen Randschichten des Korns. Sie liefern auch reichlich Ballaststoffe, die uns lange satt halten und den guten Darmbakterien als Futter dienen. Daneben steckt in Vollkornprodukten auch deutlich mehr an Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen.

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Glykämischer Index und Glykämische Last

Je geringer der Glykämische Index (GI), desto weniger steigt der Blutzuckerspiegel an. Die Glykämische Last (GL) gilt als Indikator für den Insulinbedarf. Beide zusammen betrachtet, sind ein Maß dafür, wie kohlenhydratreiche Lebensmittel auf den Blutzuckerspiegel wirken. Dennoch ist eine Ernährung mit niedrigem GI und GL nicht automatisch gesund. Auch weil nicht berücksichtigt wird, wie viele Mikronährstoffe ein Lebensmittel liefert. Hohe Werte sind nicht automatisch schlecht, genauso wie niedrige Werte kein Garant für ein gesundes Lebensmittel sind. Ein Beispiel: Fleisch enthält keine Kohlenhydrate und damit niedrige GI- und GL-Werte. Dennoch sollten wir nicht Unmengen davon essen. Selbst wenn Werte auf den ersten Blick ähnlich hoch erscheinen, sind die rein im Labor ermittelten Zahlen nicht direkt auf den Alltag übertragbar. Selten isst man Lebensmittel allein und es ist kaum zu berücksichtigen, welche Werte sich in Kombination mit anderen Lebensmitteln ergeben. Zudem ergeben selbst Messungen an ein und derselben Person unterschiedliche Werte.

Vollkorn nützt der Gesundheit

Dass Vollkorn sich gesundheitlich auszahlt, ist belegt. Erst kürzlich bestätigten Forscher in einer Meta-Analyse den präventiven Effekt von Vollkornprodukten auf Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs, Typ-2-Diabetes und die Gesamt-Sterblichkeit. Hierfür wurden insgesamt 45 valide Studien ausgewertet, in denen es um die Auswirkungen des Verzehrs von Vollkorn ging. Das Resultat:

  • Wer täglich 90 Gramm Vollkornprodukte wie Vollkornbrot isst, hat ein um 19 Prozent geringeres Risiko für koronare Herzkrankheiten – im Vergleich zu jenen, die gar kein Vollkorn aßen.
  • Ebenfalls reduzierte sich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 22 Prozent sowie das an Krebs zu erkranken um 15 Prozent.
  • Die Forscher sahen auch einen schützenden Effekt in Bezug auf Infektionskrankheiten, Atemwegserkrankungen und Diabetes.

Ganz im Gegensatz zur Theorie der Vollkorngegner wirkt sich volles Korn durch die enthaltenen komplexen Kohlenhydrate und Ballaststoffe günstig auf den Blutzuckerspiegel aus. Dieser bleibt nach dem Verzehr von Vollkorn länger stabil, anstatt zu schwanken. Einer schwedischen Studie zufolge sogar bis zu zehn Stunden: Wer morgens Roggen- oder Gerstenvollkornbrot isst, hatte demnach über den gesamten Tag einen stabileren Blutzuckerspiegel unabhängig davon, was später verzehrt wurde. Es ist richtig, dass auch volles Korn bei übermäßigem Verzehr als Fett abgespeichert wird. Doch die komplexen Kohlenhydrate und Ballaststoffe sorgen auch für ein länger anhaltendes Sättigungsgefühl. So kann Vollkorn vor Heißhunger schützen und Übergewicht vorbeugen.

Fazit: Getreide bewusst wählen und auf Qualität achten

Die Aussage, dass Vollkorn schädlicher als Zucker sei, ist damit widerlegt. Natürlich gibt es Personen, die Vollkorn schlecht vertragen und im Falle bestimmter Erkrankungen kann ein Verzicht durchaus notwendig sein, grundsätzlich schlecht ist Vollkorn jedoch keinesfalls. Auch wenn bei Übergewicht ein moderater Konsum an (vor allem einfachen) Kohlenhydraten durchaus Sinn machen kann: Viel eher sollten wir uns Gedanken darüber machen, wie wir ungesunde Weißmehlprodukte durch die Vollkornvariante ersetzen. Denn im Schnitt essen wir deutlich weniger Vollkorn als uns guttäte – und nehmen dadurch auch weniger Ballaststoffe auf als empfohlen. Gutes Vollkorn zu erkennen, ist allerdings nicht immer leicht. Hier kommen unsere Tipps, die Ihnen beim Einkauf helfen:

Gesunder Einkauf: So erkennen Sie gute Vollkornprodukte

Nicht alles, was nach Vollkorn aussieht, ist auch gesund. Viele Hersteller schummeln braune Farbe ins Brot. Und die Bezeichnung „Vollkorn“ bei Müsli oder Getreideprodukten bezieht sich lediglich auf den Vollkornanteil. Wenn dieses Lebensmittel viel Zucker, gehärtete Fette, Salz oder künstliche Zusätze enthält, dann ist es dennoch nicht gesund. Diese Tipps helfen Ihnen dabei, gute Produkte zu erkennen:

  • Achten Sie auch bei Getreideprodukten auf die Zutatenliste – oftmals soll der Vollkornanteil Produkte gut aussehen lassen, die alles andere als gesund sind.
  • Informieren Sie sich beim Bäcker, welches Brot tatsächlich aus vollem Korn gebacken ist. Nicht selten ist dies bei keiner einzigen Sorte der Fall!
  • Dinkel ist kein Garant für gesunde Produkte: Viele Hersteller werben mit dem scheinbar gesünderen Korn, doch helles Dinkelmehl ist nicht gesünder als Weizen-Auszugsmehl. Dinkel wird allerdings nicht so intensiv angebaut wie Weizen und gilt allgemein als weniger belastet. Von einigen Menschen wird Dinkel außerdem besser vertragen als Weizen.
  • Haferflocken sind in jeder Form gesund. Wenn Sie diese als Overnight Oats zubereiten und über Nacht einweichen, werden noch mehr Eisen, Zink und Magnesium in ihrer biologisch verwertbaren Form freigesetzt.
  • Glutenfrei ist nicht besser: Gluten ist ein Eiweiß im Korn, das Teige elastisch macht. Mediziner dachten lange, dass es dieser Bestandteil im Weizen ist, der von vielen schlecht vertragen wird. Der Verdacht zog einen Boom auf glutenfreie Produkte nach sich. Doch man muss unterscheiden: Für all diejenigen, die unter einer Zöliakie leiden, ist eine glutenfreie Ernährung tatsächlich lebenswichtig. Ansonsten ist nicht unbedingt das Gluten der Auslöser. Oft sind es andere Stoffe im Getreide (z. B. FODMAPs), die die Beschwerden auslösen.
  • Wenn Vollkorn schlecht verträglich ist: Machen Sie sich am besten auf die Suche nach einem Bäcker Ihres Vertrauens, der nach guter alter Handwerkstradition arbeitet oder probieren Sie unser super einfaches Über-Nacht-Dinkelbrot . Je länger der Teig zum Ruhen bekommt, umso mehr der schwer verdaulichen FODMAPs werden abgebaut.

Quellen

Aune et al.: Whole grain consumption and risk of cardiovascular disease, cancer, and all cause and cause specific mortality: systematic review and dose-response meta-analysis of prospective studies, BMJ 2016

Sandberg et al.: Whole grain cereal products and baseline gut microbiota composition in metabolic and appetite regulation in healthy humans - Emphasizing rye and barley, PLoS ONE, 2016

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