Gesundheit
Darmentzündung und Co.: So beeinflusst Stress die Darmflora

Geht´s dem Darm gut, geht´s uns gut. Doch wenn Stress unseren Alltag beeinflusst, leidet immer auch der Darm mit. Entzündungen und Co. haben freie Bahn. Wie der Darm wieder zur Ruhe kommt, lesen Sie hier.
Was bedeutet Stress für unseren Körper?
Stress ist eine normale Reaktion des Körpers auf eine Gefahrensituation. Der Sympathikus – der aktive Teil des vegetativen Nervensystems – wird aktiv. Dieser sorgt für die Ausschüttung von Adrenalin und Cortisol, beschleunigt die Herz- und Atemfrequenz und bereitet den Körper auf eine bevorstehende Gefahr vor. Wir sind nun besonders leistungsfähig und die ganze Energie wird den Muskeln bereitgestellt: Bereit zum Kampf oder zur Flucht.
Im Laufe der Evolution war die Stressantwort des Körpers überlebenswichtig und hatte somit keine negativen Aspekte auf die Gesundheit. Denn, sobald die Gefahr vorüber ist, wird der Sympathikus heruntergefahren und sein Gegenspieler der Parasympathikus übernimmt das Ruder. Sympathikus und Parasympathikus hielten sich jahrhundertelang in Balance.
Heutzutage sind wir selten einer wirklichen Gefahrensituation ausgesetzt. Vielmehr stehen wir dauerhaft unter Strom und der Sympathikus-Teil des vegetativen Nervensystems nimmt Überhand. Die Cortisolspiegel sind ständig erhöht – worunter vor allem unser Darm leidet.
Welche Auswirkungen hat Stress auf den Darm?
Sind wir gestresst, die Cortisolspiegel hoch und zum Kampf bereit, wird die gesamte Energie in die Muskeln gesteckt. Aller anderen Prozesse, die auch sehr viel Energie kosten, werden eingestellt, um möglichst viel Energie für den „Kampf“ bereitzustellen – so auch die Verdauung. Die Darmtätigkeit wird auf ein Minimum reduziert oder kommt komplett zum Erliegen. Die Folge: Entweder kommt es direkt zu einem Ausscheiden des Nahrungsbreis aus dem Darm, was vielen unter dem stressbedingten, akuten Durchfall bekannt ist, oder der Nahrungsbrei verweilt an Ort und Stelle und führt zu einer Verstopfung.
Ist der Stressreaktion nur von kurzer Dauer, hat dies erstmal keinen großen Einfluss auf unsere Verdauung. Ist der Körper jedoch dauerhaft Stress ausgesetzt, ist die Darmperistaltik dauerhaft reduziert, was zu schwerwiegenden Verstopfungen führen kann.
Einfluss von chronischem Stress auf die Darmflora
Wer dauerhaft unter Strom steht beeinflusst auch die Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm. Stresshormone bewirken unter anderem einen Rückgang der Artenvielfalt der im Darm lebenden Bakterien – vor allem der „guten“ Laktobazillen und Bifidobakterien. Durch die verminderte Anzahl der Milchsäurebakterien verschiebt sich der pH-Wert des Darmmilieus und krankmachende Keime können sich leichter dort ansiedeln.
Eine weitere Folge: Durch den Rückgang der Tryptophan-bildenden Bakterien, steht nicht mehr genug Tryptophan zu Verfügung, der Vorstufe von Serotonin. Daher kann nicht mehr ausreichend Serotonin gebildet werden, wodurch die Stressreduktion noch weiter sinkt.
Stress als Grundlage für die Entstehung eines Leaky Guts
Ein weiterer Punkt: Stress beeinflusst die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut. Unsere Darmschleimhaut setzt sich aus vielen verschiedenen aneinander gereihten Darmzellen zusammen. Diese bilden die größte Barriere zwischen unserem Körper und der Außenwelt dar. Ist die Darmschleimhaut gesund, lässt sie alle wichtigen Nährstoffe wie Vitamine und Spurenelemente, die der Körper benötigt, durch und alle Giftstoffe, Viren, Pilzsporen und Bakterien werden abgehalten.
Sind wir gestresst, verschieben sich die Darmzellen und die Barriere lässt nun auch unerwünschte Stoffe in den Körperkreislauf eintreten. Ist die Stressreaktion nur von kurzer Dauer, verdichten sich die Darmzellen wieder und somit sind die Auswirkungen auf unseren Körper gering.
Anders sieht es allerdings bei chronischem Stress aus. Steht der Körper allerdings dauerhaft unter Stress und die Cortisolspiegel sind dauerhaft erhöht, ist die Darmbarriere somit auch dauerhaft durchlässiger. Zusammen mit einer ungesunden Ernährung, bestimmten Medikamenteneinnahmen oder z.B. Alkoholgenuss fördert man die Entstehung eines Leaky Guts.
Was ist Leaky Gut ?
Beim Leaky Gut Syndrom (englisch für „durchlässiger Darm“) ist die Barriere der Darmschleimhaut dauerhaft gestört und die Zellen der Darmschleimhaut liegen nicht mehr so dicht beieinander. Es gelangen immer mehr unerwünschte Stoffe in unserem Körper, das Immunsystem ist ständig aktiv und löst Entzündungsreaktionen aus. Mögliche Folgen dauerhafter Entzündungen sind allergische Reaktionen und Autoimmunerkrankungen.
Info-Box
Gestörte Darmbarriere – Kennzeichen vieler Erkrankungen
Eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut mit nachfolgenden chronischen Entzündungen lässt sich bei vielen Erkrankungen beobachten:
- Autoimmunerkrankungen, wie chronisch entzündliche Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
- Lupus, Multiple Sklerose, Typ-I-Diabetes
- Reizdarm
- Zöliakie
- Auch bei Übergewicht und Leberzirrhose durch Alkoholkonsum lässt sich eine erhöhte Durchlässigkeit feststellen
Die Forschung auf diesem Feld ist allerdings noch sehr jung und bis jetzt ist noch nicht vollständig erforscht, ob die durchlässige Darmwand Ursache oder Folge bzw. Begleiterscheinung der Beschwerden ist.
Unterstützende Faktoren eines Leaky Guts
Die genauen Faktoren, die die Entstehung eines Leaky Guts fördern, sind noch unbekannt. Dennoch sind sich Forscher einig, dass eine ungesunde Lebensweise die Hauptursache ist und das Leaky Gut durch den Lebensstil verursacht wird. Folgende Faktoren tragen neben anhaltendem Stress zu einem Leaky Gut bei:
- Ungesunde Ernährung mit viel Zucker, Weißmehl-Produkten, Alkohol
- Bestimmte Nahrungsbestandteile, wie Gluten, Lektine und verschiedene Aroma-, Farb- und Konservierungsstoffe
- Medikamente wie Antibiotika, Schmerzmittel, Cortison
- Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten
- Chronische Erkrankungen
- Rauchen
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So äußert sich ein Leaky Gut
So vielseitig die möglichen Ursachen sind, so vielseitig sind die Symptome, die diese auslösen:
- Verdauungsprobleme, wie Durchfall, Blähungen, Verstopfungen
- Müdigkeit, Schlappheit
- Unzureichende Nährstoffversorgung durch verschlechterte Aufnahme
- Schwaches Immunsystem
- Migräne
- Akne und Hautunreinheiten
- Muskel- und Gelenkschmerzen
- Nervosität
- Nahrungsmittelallergien und -intoleranzen
Alle diese Symptome sind sehr unspezifisch und weil sie nicht direkt im Darm lokalisiert sind, sondern systemisch im ganzen Körper, werden diese oftmals nicht direkt mit dem Darm in Verbindung gebracht.
Was kann man gegen eine geschwächte Darmbarriere tun?
Da die Durchlässigkeit der Darmbarriere durch unsere Lebensweise beeinflusst wird, kann man mit der richtigen Ernährung und gutem Stressmanagement das Ruder herumreißen. Vor allem gilt es, den Darm bzw. die Darmflora wieder aufzubauen und zu stärken.
1. Auslösende Faktoren weglassen
Sie wissen nun, welchen Einfluss die Ernährung und vor allem chronischer Stress auf unsere Darmgesundheit hat. Um einem Leaky Gut vorzubeugen oder ihn sogar zu bekämpfen, gilt es alle Faktoren, die seine Entstehung fördern, wegzulassen. Streichen Sie Zucker, Alkohol und verarbeitete Produkte für die nächsten 3-4 Wochen aus Ihrer Ernährung.
Stress schwächt nachweislich unsere Darmflora und nimmt Einfluss auf die Darmbarriere. Versuchen Sie einen gesunden Umgang mit Stress zu erlernen und nehmen Sie sich regelmäßige Pausen, um sich zu entspannen. Achten Sie auch auf einen guten Schlaf und Entspannungstechniken zum Stressabbau.
2. Aufbau der Darmflora – mit der richtigen Ernährung
Eine darmfreundliche Ernährung ist die beste Grundlage für einen gesunden Darm. Auch Wissenschaftler haben bestätigt, dass eine gesunde Darmflora und ein gesundes Mikrobiom den Verbund im Darm (Tight Junctions) und damit die Darmbarriere stärken.
Weil sich unsere Darmschleimhaut in ständigem Auf- und Abbau befindet, können wir unsere Darmgesundheit – und damit die Darmbarriere – mit der richtigen Ernährung fördern:
- Bevorzugen Sie möglichst wenig verarbeitete und naturbelassene Lebensmittel.
- Die beste Basis für Ihre Ernährung: viel Gemüse und pflanzliche Nahrung, die reich an Nährstoffen und Ballaststoffen ist. Vollwertiges Getreide (bei Zöliakie glutenfreie Sorten), dazu frische Kräuter und Gewürze
- Essen Sie Omega 3-reiche Lebensmittel, wie Nüsse (Walnuss) und Öle (Leinöl)
- Manchen hilft bei bestehenden Darmbeschwerden der Verzicht auf Weizen.
- Probiotische Lebensmittel unterst ützen die gesunde Darmflora: z. B. Sauerkraut (nicht erhitzt), fermentiertes Gemüse als Salat, sauer vergorene Gemüsesäfte, Naturjoghurt (spezielle probiotische Joghurts sind nicht nötig). Testen Sie unser Rezept für fermentiertes Gemüse.
Besprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Heilpraktiker, ob eine Darmsanierung für Sie sinnvoll sein könnte. Hier erfahren Sie mehr darüber, wie Sie Ihre Darmflora natürlich aufbauen können.
Quellen:
- Qinghui Mu et al., Leaky Gut As a Danger Signal for Autoimmune Diseases, Front Immunol. 2017; 8: 598.
- Sequeira et al., Standardising the Lactulose Mannitol Test of Gut Permeability to Minimise Error and Promote Comparability, PLoS One. 2014; 9(6): e99256
- Annelise Madison et al.: Stress, depression, diet, and the gut microbiota: human–bacteria interactions at the core of psychoneuroimmunology and nutrition; Curr. Opin Behav Sci. 2019; 28: 105-110