Ernährung

Milch ist gesund - oder?

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Dunja Rieber

Ein ungesunder Krankmacher, den viele nicht vertragen oder eine wichtige Quelle für Kalzium? Der Gesundheitswert von Milch ist umstritten. Warum weniger hier mehr ist.  

Die Industrie pflegt das gute Image der Milch. Aber nicht jeder verträgt Milchprodukte gut und leider sind die Tierhaltungsbedingungen meist alles andere ideal – der gute Ruf der Milch verliert an Ansehen. Viele Verbaucher sind verunsichert und pflanzliche Alternativen boomen. Denn immer häufiger gibt es Zweifel, inwieweit Milch sogar krank machen kann. 7 spannende Fragen und ihre Antworten:

1. Brauchen wir Milch?

Nicht unbedingt! Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht sind Milch und Milchprodukte für den Menschen vor allem ein prima Kalzium-Lieferant. Ein Liter Kuhmilch liefert etwa 1200 mg Kalzium – ein Glas deckt also schon rund ein Drittel unseres Tagesbedarfs. Dennoch gibt es weitere gute Kalziumquellen. Wer keine Milchprodukte isst, kann seinen Bedarf auch über andere Lebensmittel decken, z. B. mit kalziumhaltigem Mineralwasser, Brokkoli, Spinat, Grünkohl, Vollkornprodukten, Mandeln und Sesam. Sie trinken lieber pflanzliche Milch? Achten Sie beim Einkauf auf Produkte mit Kalziumzusatz.

Weitere positive Inhaltsstoffe in der Milch sind gesunde Omega-3-Fettsäuren, sofern die Milch von Kühen aus Weidehaltung stammt.

2. Macht Milch krank?

Fast jeder von uns ist wie selbstverständlich mit Milch aufgewachsen. Doch der gute Ruf der Milch wird von der Indutrie geflegt wie ein Schatz, schließlich ist Milch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Immer mehr Ärzte warnen jedoch vor Milch. Auch die persönlichen Erfahrungen und die ethische Verantwortung jedes Einzelnen spielen eine große Rolle. Für Milchgegner ist klar: Milch wird nicht für den Menschen, sondern von der Kuh für Ihre Kälbchen produziert. Auch das Argument, dass Milch zur Verschleimung der Atemwege beiträgt, ist seit jeher bekannt. Deshalb empfehlen nicht nur Naturheilkundler, sondern auch Großmütter, Milch vor allem bei Erkältungen und Husten zu meiden.

Wegen der enthaltenen gesättigten Fettsäuren standen Milchprodukte lange in Verdacht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu begünstigen. Doch Studien zufolge ergibt sich bei einem hohen Milchkonsum kein erhöhtes Risiko für Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck oder Schlaganfall. Nach Ansicht des Max-Rubner-Instituts (MRI, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel) zeigte sich nach einer Vielzahl von Auswertungen, dass Kuhmilch das Risiko sogar eher senken kann. Allerdings erhöhte in einer schwedischen Untersuchung mit über 100.000 Teilnehmern der tägliche Verzehr von 2,5 Gläsern Milch oder mehr die Sterberate um 32 Prozent im Vergleich zu jenen, die nur ein Glas tranken. Der Verzehr von Joghurt und Käse senkte dagegen das Sterberisiko. Dies lässt vermuten, dass es bei der gesundheitlichen Bewertung einen Unterschied zwischen Milch und gesäuerten Milchprodukten gibt. Auch in der mediterranen Ernährung, die als gesündeste weltweit gilt, werden bevorzugt gesäuerte Milchprodukte verwendet.

Einige Forscher vermuten, dass die in der Milch enthaltenen Einfachzucker (Galaktose) sowie die enthaltene Arachidonsäure das Risiko für Zivilisationskrankheiten wie Diabetes erhöhen können sowie außerdem die Zellalterung sowie Entzündungen im Körper fördert.

Zudem steht Milch, ebenso wie Rindfleisch, in Verdacht Erreger zu enthalten (sogenannte Plasmidome), die dauerhafte Entzündungen im Körper hervorrufen sollen - und so möglicherweise eine Umgebung für Folgeerkrankungen schaffen.

Insgesamt ist die Studienlage unübersichtlich und sogar unsere Fachbehörden sind sich nicht einig. Während die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) Milch für die tägliche Ernährung empfiehlt, kommt das MRI zu dem Schluss, dass Milch das Risiko für Prostatakrebs erhöht, wenn Männer mehr als einen halben Liter Milch täglich trinken. Auf das Risiko für Dickdarm-, Brust- oder Magentumoren hat der Milchkonsum scheinbar keinen Einfluss.

Aktuell sieht das MRI Forschungsbedarf in der Frage, welche Bedeutung bestimmte Erbgut-Bestandteile in der Milch (microRNA) für die Gesundheit des Menschen haben. Erste Untersuchungen lassen vermuten, dass microRNA aus der Kuhmilch sogar einen Einfluss auf unsere Gene nehmen könnten.

3. Warum vertragen viele keine Milch?

Schätzungen zufolge haben bis zu 20 Prozent der Europäer eine Laktoseintoleranz, weil ihnen das zur Aufspaltung des Milchzuckers nötige Enzym Laktase fehlt. Daher reagieren sie auf Kuhmilch häufig mit Bauchweh, Blähungen und Durchfall. Doch nicht alle Betroffenen müssen deshalb komplett auf Milch verzichten. Wie empfindlich jeder darauf reagiert, ist äußerst unterschiedlich. Für den Großteil gilt: Kleine Mengen bereiten in der Regel keine Probleme.

Fermentierte Milchprodukte wie Joghurt, Dickmilch, Kefir, Lassi oder Ayran sind dagegen oft gut verträglich, da diese weniger Laktose als Kuhmilch enthalten und ihre Milchsäurebakterien die Verdauung unterstützen.

Die Laktoseintoleranz ist nicht zu verwechseln mit der Milcheiweiß-Allergie. Dabei handelt es sich um eine echte allergische Reaktion, die durch Milcheiweiße wie Kasein oder Molkeeiweiß ausgelöst wird. Milcheiweiß-Allergiker vertragen in der Regel Milchprodukte mit sehr hohem Fettanteil, wie Butter oder Sahne, besser.

4. Stärkt Milch die Knochen?

Gleich vorweg: Diese Ansicht gilt als überholt. Auch wenn wir viel Milch trinken, schützt das nicht vor Knochenbrüchen und Osteoporose – obwohl wir unserem Körper dadurch viel Kalzium zufügen. Als Schutzfaktor für unsere Knochen ist vielmehr das Vitamin D wichtig, wie Studien des renommierten Harvard-Professors Walter Willet zeigen (Am J Clin Nutr. 2003 Feb;77(2):504-11). Wollen Sie Ihre Knochen stärken, genießen Sie lieber regelmäßig maßvoll die Sonne, die unsere Vitamin D-Bildung ankurbelt – Milch allein stärkt nicht die Knochen.

5. Ist Frischmilch gesünder als H-Milch?

Heute findet sich in den Regalen vor allem die „längerfrische“ ESL-Milch. Sie wird kürzer und weniger hoch erhitzt als H-Milch. Das wirkt sich nicht nur auf den Geschmack positiv aus, sondern auch auf den Nährstoffgehalt. Monatelang haltbare Kuhmilch ist nicht per se ungesünder als Frischmilch, büßt jedoch durch das Erhitzen etwa 20 Prozent an wertvoller Folsäure, 35 Prozent an Vitamin C und 10 Prozent Vitamin B12 ein. Aber auch beim Aufkochen der Frischmilch im Haushalt werden ein Großteil der enthaltenen Vitamine zerstört.

6. Löst Milch Allergien und Akne aus?

Früher hatten Babys aus Angst vor Allergien vor dem ersten Geburtstag Kuhmilch-Verbot. Heute weiß man jedoch: Nur wenn eine Veranlagung besteht, löst Kuhmilch tatsächlich Allergien aus. Trotzdem sollten Säuglinge nicht mehr als 200 ml Kuhmilch am Tag bekommen, um die Nieren nicht zu überfordern. Aber auch wenn keine Allergie vorliegt, kann es natürlich vorkommen, dass kleine Kinder Kuhmilch schlecht vertragen. Besprechen Sie Ihren Verdacht am besten mit dem Kinderarzt.

Hinweise gibt es dagegen für einen Zusammenhang zwischen Milchkonsum und unreiner, entzündeter Haut. In einer Übersichtarbeit aus dem Jahr 2018 mit 72.000 Teilnehmern litten Milchtrinker häufiger unter Akne. Auch hier vermuten Mediziner, dass Hormone und Wachstumsfaktoren eine Rolle spielen.

7. Garantiert Weidemilch, dass Kühe auf der Weide stehen dürfen?

Der Begriff "Weidemilch" ist lebensmittelrechtlich nicht geschützt. Wir oft die Tiere tatsächlich auf die Weide gelassen werden, ist von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. Einem neueren Urteil des OLG Nürnberg ist die Angabe dann zulässig, wenn die Kühe an mindestens 120 Tagen für sechs Stunden auf der Weide stehen dürfen. Produkte mit dem Label "Pro Weideland" erfüllen dieses und weitere Kriterien.

Heumilch, Weidemilch & Co. - mehr darüber, welche Milchsorten noch empfehlenswert sind, lesen Sie hier.

Fazit: Weniger ist mehr

Viele gesundheitliche Fragen zur Milch sind noch offen bzw. es herrschen unterschiedliche Meinungen vor, selbst unter Wissenschaftlern. Dennoch sind Mediziner sich in einem einig: Pflanzliche Proteine sind gesünder als tierische. Zudem wurde der angepriesene knochenstärkende Effekt als falsch enttarnt. Es lohnt sich also, öfter mal auf pflanzliche Milchalternativen zurückzugreifen! Ob Sie gänzlich verzichten oder nicht, ist allerdings auch eine ethische Frage. Wenn Sie Milch vertragen, ist ein moderater Milchkonsum durchaus mit einer gesunden Ernährung vereinbar, wenn Sie zu Produkten guter Qualität und aus artgerechter Tierhaltung greifen. Im Vergleich zu Milch scheinen gesäuerte Milchprodukte wie Joghurt möglicherweise einen gesundheitlichen Vorteil zu bieten und fördern auch die Darmgesundheit.

Sojamilch, Hafermilch oder Hanfmilch – welche Milchalternativen sind am gesündesten?

Quellen

Ernährungsphysiologische Bewertung von Milch und Milchprodukten und ihren Inhaltsstoffen. Bericht für das Kompetenzzentrum für Ernährung, Bayern November 2014.

Michaëlsson et al.: Milk intake and risk of mortality and fractures in women and men: cohort studies, BMJ, 2014.

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